Berliner Mauer – Was ist geblieben? http://was-ist-geblieben.de Geschichten von Menschen und Dingen drei Jahrzehnte nach dem Ende der DDR Mon, 04 Nov 2019 21:15:22 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.4 DDR in drei Stunden http://was-ist-geblieben.de/drei-stunden-ddr-tourismus/ Tue, 05 Feb 2019 08:08:05 +0000 http://was-ist-geblieben.de/?p=128 Ein Beitrag von Lucas Frings, Malte Grünkorn, Emanuel Weitmann

Plötzlich Touri! An einem sonnigen Wintertag treffen wir uns am Brandenburger Tor, drei Stunden „Communist Berlin and Berlin Wall Tour“ stehen uns bevor. Wir buchten vorab, in der Kurzbeschreibung wurde eine akkurate Darstellung des Lebens in der DDR versprochen – „the good as well as the bad“. Schon bei der Buchung hatten wir gemerkt, dass das Angebot von kommerziellen Touren zur DDR-Geschichte – zumal im Winter – überschaubar ist. Radtouren, bei denen deutlich mehr Orte angesteuert werden, beginnen erst im April. Eigentlich wollen wir verschiedene Touren buchen, merken dabei aber rechtzeitig, dass unterschiedliche Unternehmen dieselben Führungen der gleichen Guides rebranded verkaufen.

Geschichte und Tourismus, it’s a match – and a business! Das fand auch Valentin Groebner, in seinem Buch „Retroland“. Er fragt sich darin, wie das aussieht, „wenn Monumente und Ereignisse aus der Vergangenheit als Zeugen lokaler ‘Identität’ und Echtheit vermarktet werden“. Es geht um das Banale, das was einfach da ist, aber aufregend gemacht wird. Um Monumentalisierung, die bei Groebner ein Verfügbarmachen der Stories und Deutungen von Orten in konsumierbaren Portionen ist. Da wollen wir dabei sein, das wollen wir erleben. Denn was bleibt von der DDR, ist das, was gekauft wird und das was performt wird, so unser Gedanke. Als Touristen wollen wir Geschichten über Spies und deren Gadgets (Giftspitzen-Regenschirme), herzzerreißende Familienschicksale und tragische Todesfälle an der Mauer erfahren, wie uns der Flyer zur Führung verspricht. Wir wollen dabei sein während Berlin zum stadtgewordenen Symbol der Freiheit und Unfreiheit wird.

Und wer wird das wem erzählen? Wie wird unser Guide (historische) Orte in die Erzählung einbinden? Welches DDR-Narrativ wird vermittelt? Häufig wird die DDR entweder als reine Unterdrückungsgeschichte durch ein zynisches und totalitäres Regime, oder in einer Art ostalgischer Verharmlosung erzählt. DDR-Geschichte bleibt unter einer “Käseglocke”, losgelöst von deutsch-deutschen oder globalen Entwicklungen, wie die Kulturwissenschaftlerin Carola Rudnick im März bei einer Podiumsdiskussion zu dem Thema “DDR neu erzählen!” anmerkte.  

Und das alles in drei Stunden?


Unser Tourguide Sam am Spreeufer.
Unser Tourguide Sam am Spreeufer © Malte Grünkorn

Unseren Guide Sam schüchtern wir direkt ein bisschen ein. Er ist Student, wie wir, lebt ungefähr zwei Jahre in Berlin. Wir werden die nächsten Stunden mit ihm verbringen und ihn einige Wochen später erneut treffen, um mit ihm über die DDR, Tourguiding und was ihn als Brite an deutscher Geschichte fasziniert zu sprechen. Warum gehen drei in Deutschland aufgewachsene Geschichtsstudierende auf eine Tour über deutsche Geschichte? Ob wir ihn nun prüfen und korrigieren werden? Wir beteuern anfangs, nur wenig über DDR-Geschichte zu wissen, was – na klar – geflunkert ist.

Nach einem Abriss der Nachkriegsgeschichte bis in die 50er Jahre mit Blick aufs Brandenburger Tor begeben wir uns zur einst sowjetischen, heute russischen Botschaft. Um seine Ausführungen verständlich zu machen, bricht er komplexe Zusammenhänge herunter, spricht von “East and West” anstelle der Besatzungszonen. Die meisten Besucher*innen, sagt Sam, hätten eine „background info“, nicht unbedingt richtiges Wissen, aber eine Idee oder eine Imagination, ein „inherited knowledge“, dass aber bei den allermeisten Besucher*innen deutlich geringer sei, als das Wissen über den Nationalsozialismus. Während es für jüngere Besucher*innen vor allem ein Entdecken vergangener Geschichte ist, bildet für ältere Menschen aus Mittel- und Osteuropa die Tour einen starken Kontrast zu dem Bild des modernen Idealstaats DDR mit dem sie aufgewachsen sind.

Aus dem baufälligen Gebäude der ehemaligen amerikanischen Botschaft wird durch Sams Erzählung ein Spionagestützpunkt. Von hier aus ist auch der Fernsehturm zu sehen. Auf dem weithin sichtbaren Symbol einer modernen DDR ist im Sonnenschein ein Kreuz auszumachen. It cannot be unseen, laut Sam einer der Lieblings-Fun-Facts von Tourguides. Das Kreuz am Turm stehe auch für die Widersprüchlichkeit der DDR, für Grenzen der Planbarkeit und Herrschaft. In einem Staat, in dem abweichende Gruppen wie beispielsweise die Kirchen gewaltvoll unterdrückt worden sind, wurde das markante Kreuz auf dem Ersatzkirchenturm zur “Rache des Papstes”. Dabei sollte die Kugel eigentlich an den Erfolg des Sputnik-Satelliten erinnern

Die „Rache des Papstes“ auf dem Berliner Fernsehturm © Malte Grünkorn

Wir gehen weiter zur Friedrichsstraße. Am Spreeufer sprechen wir über den Mauerbau, und Fluchtmöglichkeiten in die BRD. Sam erzählt von Günter Litfin, dem ersten Mauertoten, der beim Versuch die Spree zu durchschwimmen von DDR-Grenzbeamten erschossen wurde. Aus der Spree wird eine Todesort. Unser Guide hat eine systematische Vorgehensweise, er beginnt mit umfangreicheren Themen auf der Makroebene, etwa der geopolitischen Lage, die die UdSSR ermutigte den Mauerbau abzusegnen. Nach und nach bricht er es auf die Mikroebene und persönliche Geschichten herunter – der emotionale Zugang als kleinster gemeinsamer Nenner der Verständnis- und Empfindungsebene seiner Zuhörer*innen.

Kurz danach entlässt uns Sam in die Ausstellung im Tränenpalast. Der anschließende Kaffee schmeckt uns viel besser, mit dem Wissen über die ehemals weite Verbreitung von „Erichs Krönung“, dem DDR Ersatzkaffee. Wir steigen in die S-Bahn zum Nordbahnhof. In dessen Untergeschoss sprechen wir über die Geisterbahnhöfe, die durch die Teilung Berlins entstanden. Im Streckennetz und in den Bahnhöfen sieht man noch viele Überreste der DDR, so Sam.

Die von uns angesteuerten Orte haben einen festen Platz in Sams Erzählungen, sie dienen als Aufhänger für Aspekte, die sich zu seiner differenzierten Gesamtdarstellung formen. Sie sind mehr als schmückendes Beiwerk, auf die Architektur der sowjetischen Botschaft etwa gehen wir kaum ein. Unscheinbare Gebäude werden durch Sams Ausführungen zu geschichtsträchtige Orten. An der Friedrichstraße steigen wir nicht mehr nur von der S1 in die U6 sondern haben Bilder von Grenzkontrollen im Kopf. Durch die Veränderung in unserer Nutzung dieses Ortes, nicht Pendler sondern Tourist, verändert sich auch unsere Wahrnehmung des Ortes. Historische Authentizität – Ein Wahrnehmungsmodus?

  • Unsere Tourgruppe an der Gedenkstätte Berliner Mauer
    Unsere Tourgruppe an der Gedenkstätte Berliner Mauer © Lucas Frings

An der Gedenkstätte Berliner Mauer sprechen wir über den Aufbau der Sperranlage, Fluchttunnel und Mauertote. Hier sehen wir nun das angekündigte „most historically accurate piece of the Berlin Wall“. Die Formulierung passt, schließlich wurde etwa der Wachturm an der Bernauer Straße der Anschaulichkeit halber 2009 aus Brandenburg hierher versetzt. Durch Schlitze in der Mauer kann hier auch auf die Rekonstruktion des Todesstreifen und in die Vergangenheit geschaut werden.

Als wir Sam ein paar Wochen später in der Kneipe W. Prassnik treffen, kommt auch der Aspekt der Authentizität und der Wunsch nach sichtbaren Objekten zur Sprache. Die DDR-Geschichte in Berlin sei eine der unsichtbarsten Geschichten für Tourist*innen. Durch das Fehlen von Gebäuden und Zeichen im öffentlichen Raum, die als Teil der DDR-Geschichte erkannt werden könnten, projizieren sich alle DDR-Themen auf die Mauer und nehmen deren negative Konnotation auf. So sei es kein Wunder, so Sam, dass vorrangig das Bild einer brutalen Diktatur entsteht. Wenn er könnte, sagt er, würde er auch Orte wie den Platz der Republik, die Karl-Marx-Allee aber auch Berlin-Marzahn in seine Tour einbauen. Dort könnte man etwa die Idee von Plattenbauten vermitteln, auch da „communal housing“ in vielen Ländern abschätzig betrachtet werde.

Die Tour endet an der U-Bahn Station Bernauer Straße, mit der Erzählung des folgenreichen Versehens Günter Schabowskis bei der Pressekonferenz vom 09.11.1989, die schlussendlich zur Öffnung der Grenzen führte. Aus einer missverständlichen Lockerung des Reisegesetzes macht die westdeutsche Tagesschau die Schlagzeile “DDR öffnet Grenzen”.

Am Ende ist für uns klar: Sam hat uns keine Horrorgeschichte der DDR erzählt. Vielmehr hat er die Käseglocke angehoben, Wechselwirkungen aufzeigt, und die komplexe Geschichte der DDR im Berliner Stadtbild für uns sichtbar gemacht. Dass wir – anders als online angekündigt – nichts über Regenschirme mit eingebauter Giftspritze als Geheimdienstwaffe erfahren habe, verzeihen wir ihm gerne.


Wir danken Sam W. für die Gespräche und Publikationsgenehmigung.
Alle Bildrechte liegen bei Lucas Frings und Malte Grünkorn


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#checkpointcharlie #berlinwall http://was-ist-geblieben.de/checkpointcharlie/ Tue, 05 Feb 2019 07:55:14 +0000 http://was-ist-geblieben.de/?p=100 Ein Beitrag von Karolína Bukovská und Jan Alexander Casper

Was wirklich bleibt

ist eine boomende Erinnerungsindustrie. Am Checkpoint Charlie wird deutlich, dass eine Systemgrenze nicht mehr existiert. 30 Jahre nach dem Mauerfall posiert man hier mit Sowjetmütze fürs Familienfoto. Die Geschichte der DDR wird anhand kommerzieller Produkte erzählt, Tourist*innen machen Fotos am ehemaligen Wachhäuschen und die Mauer selbst wird, künstlerisch überformt, Stück für Stück verkauft. Ist das poetische Gerechtigkeit? von Karolína Bukovská und Jan Alexander Casper

#checkpointcharlie: Erinnern und Verkaufen

Für ein Fotoprojekt habe ich mehr Zeit am Checkpoint Charlie verbracht, als mir lieb ist. Hier wird ein historischer Ort zur Einkaufsstraße und Fotokulisse. Eine unvollständige Phänomenologie der Berliner Erinnerungsindustrie von Karolína Bukovská

Checkpoint Charlie: Ein Muss für alle ...

… die die deutsche Hauptstadt besuchen. Der Ort, an dem sich amerikanische und sowjetische Panzer gegenüberstanden, ist bis heute Symbol des Kalten Krieges und der deutsch-deutschen Teilung. Nur wenige der Millionen Berlin-Besucher*innen lassen sich das entgehen. Jeden Tag strömen Tourist*innen an diesen Ort, der heute Mitte und Kreuzberg trennt, um sich die ehemalige Systemgrenze anzuschauen.

Doch was ist von der berühmtesten Grenze zwischen zwei Welten tatsächlich geblieben? Was verspricht man sich vom Besuch eines ehemaligen Grenzüberganges, der nach der Wende zuerst feierlich abgebaut wurde, nur um ihn später durch eine Rekonstruktion zu ersetzen? Was will man hier heute sehen und erleben? Die Anziehungskraft dieses historischen Ortes, der eher an eine Attraktion in einem Freizeitpark erinnert, als an einen Schauplatz der Weltgeschichte, kann ich nur schwer nachvollziehen. Umso mehr interessiert mich, was sich an der Straßenkreuzung zwischen Friedrichstraße und Zimmerstraße im Wirrwarr des touristischen Betriebs Tag für Tag abspielt. Ich setze mich im McDonald’s auf den Stuhl am Fenster. Zeit für ein Lagebild vom Checkpoint Charlie 2019.

Tassen mit Kennedy-Motiv und echte Mauerstücke

Auf der anderen Straßenseite befindet sich der sogenannte „Mauershop“. Den verlassen gerade vier ältere Frauen mit Kopfhörern und orangefarbenen Audio-Guides. Eine von ihnen trägt eine weiße Plastiktüte in der Hand. Die Tasche ist bis zum Rand gefüllt. Das Angebot des Mauershops ist groß.

Hinter den Schaufenstern sieht man Souvenirs mit Motiven von der Berliner Mauer und des ehemaligen Grenzübergangs. Das breite Sortiment erschöpft sich nicht in üblichen Ansichtskarten und Kühlschrankmagneten. Die Aufschrift des berühmten Zonen-Schildes, das damals Passant*innen über das Verlassen der amerikanischen Zone informierte, findet man auf allen möglichen und unmöglichen Alltagsgegenständen: auf Tassen, Tellern, Küchenbrettern, Bierkrügen, Flachmännern, Baseballmützen, Sweatshirts, Schlüsselanhängern, Stiften, Öffnern, Feuerzeugen und vielem mehr. Ähnliches bietet man in der „Ich bin ein Berliner“-Variante mit dem berühmten Kennedy-Zitat. Im Mauershop kann man außerdem die materiellen Überreste der 28-jährigen deutschen Teilung käuflich erwerben – kleine bunt bemalte Stücke der Berliner Mauer, die direkt im Laden in einer Werkstatt von Künstler*innen neu gestaltet werden.

Fake-Soldaten posieren vor einem Fake-Wachhäuschen

Die Damen halten kurz an, bevor sie die Straße überqueren. Im zehnminütigen Rhythmus fahren bunte Doppeldeckerbusse vor, die Stadtrundfahrten in mehreren Sprachen anbieten. Zum Schritttempo zwingt alle Fahrzeuge die schmale Insel in der Mitte der Straße, auf der sich der eigentliche „Checkpoint“ befindet.

Vor dem weißgestrichenen Holzhäuschen, einer Replik der ganz alten Kontrollbarracke, stehen zwei Männer in grünen Uniformen. Den amerikanischen Look verleihen ihnen ihre Ray-Bans, dazu halten beide „Soldaten“ jeweils eine Flagge der Vereinigten Staaten in den Händen. Sowjetische Soldat*innen findet man in dieser nachgebildeten historischen Szene allerdings nicht. Vom besiegten Erzfeind der USA sind lediglich Schirmmützen geblieben, die zwischen den beiden Soldaten auf Sandsäcken aufgereiht sind.

Einer der Soldaten trinkt Kaffee aus einem großen Pappbecher. Es ist ziemlich kalt an diesem Februarvormittag und am Checkpoint Charlie herrscht noch eine ungewöhnliche Ruhe, die Tourist*innen nähern sich aber bereits. Es ist eine Schulklasse. Die Jugendlichen halten alle fast gleichzeitig vor dem ikonischen Schild You are leaving the American Sector an – und holen sofort ihre Handys raus. Sie schießen alle das gleiche Foto von der Schild-Replik; das Original befindet sich im nahegelegenen Mauer-Museum. In dem Moment legt der Soldat den Becher auf die Sandsäcke hinter ihm ab. Sein Arbeitstag beginnt.

Das Familienfoto mit den falschen US-Soldaten kostet drei Euro

Der Schauspiel-Soldat kommt mit der US-Flagge auf die Gruppe der Jugendlichen zu und gestikuliert mit der Hand: Sie sollen näher kommen. Die Jugendlichen folgen neugierig seiner Anweisung und überqueren die Straße. Nach Absprache mit ihrer Betreuerin versammelt sich die ganze Gruppe um die beiden Soldaten. Leider gibt es nicht genug Mützen für alle. Mit ausgestreckten Armen greifen die Schüler*innen nach der Kopfbedeckung, die mit einem roten Streifen sowie Hammer und Sichel geschmückt ist.

Inzwischen kommen weitere Tourist*innen dazu. Egal ob als Paar oder einzeln, es wirkt, als hätten sie Angst, sich den Schauspiel-Soldaten zu nähern. Als würden sie ahnen, dass die Ablichtung der Männer in amerikanischen Uniformen nicht kostenlos ist. Mit sicherem Abstand stellen sie sich vor die Kontrollbaracke, so dass man die Aufschrift US Army Checkpoint und die beiden uniformierten Männer gut sehen kann, und machen schnell und möglichst unauffällig ein Foto davon.

Unter den Besucher*innen von Checkpoint Charlie sind aber auch mutigere Personen, die direkt zur Wache schreiten, um sie um ein gemeinsames Foto zu bitten. Vor jeder Aufnahme muss allerdings verhandelt werden. Dabei zeigt der Soldat auf das kleine schwarze Schild, das an seinem Gürtel hängt. Eine Fotographie kostet drei Euro. Einige zeigen sich immer bereit, in diese einzigartige Foto-Erinnerung aus dem Urlaub in Berlin zu investieren.

#checkpointcharlie markiert Bilder von Brandenburger Tor, Fernsehturm, Holocaust-Mahnmal und Curry-Wurst

Danach kommt es zum Ritual, das sich an der Straßenkreuzung zwischen Mitte und Kreuzberg Minute für Minute, Stunde für Stunde, Tag für Tag schon seit einigen Jahren wiederholt. Für die einzelnen Tourist*innen ein außergewöhnliches Erlebnis, für die Schauspiel-Soldaten eine alltägliche Routine. Die Kund*innen bekommen von den Soldaten sowjetische Schirmmützen auf den Kopf aufgesetzt, aufgeregte Tourist*innen stellen sich zwischen die beiden Soldaten, Stars and Stripes bilden den Rahmen. Das erste Foto – alle salutieren. Manchmal ruft einer der Soldaten ein lautes Salut! dazu. Das zweite Foto – Daumen nach oben und ein american smile. Und zur Sicherheit noch ein drittes Foto – Arme werden auf die Schulter gelegt. Damit ist der ganze Prozess zu Ende. Mütze ablegen, die Aufnahmen kontrollieren und schnell weg. Vor dem Checkpoint bildet sich schon eine lange Schlange.

Einige von diesen Fotos werden später auf Instagram geteilt und mit dem Namen des berühmtesten Grenzüberganges markiert. Das Hashtag #checkpointcharlie erhalten allerdings nicht nur Fotos aus der Straßenkreuzung, sondern alle möglichen Bilder aus der Hauptstadt – mit #checkpointcharlie markieren die Users Fotos vom Brandenburger Tor, Fernsehturm, Holocaust-Mahnmal oder Curry-Wurst. Die Marke Checkpoint Charlie und Berlin gehören untrennbar zusammen.

Was bleibt ist der falsche DDR-Stempel im Pass

Nach zwei Stunden verlasse ich meinen Beobachtungsposten. Eine Rikscha mit rotem Dach mit Tigermuster dreht gerade eine Runde um das Kontrollhäuschen. Mit ausgestrecktem Arm versucht der Fahrer, einem älteren Paar die Panzerkonfrontation glaubhaft darzustellen und gleichzeitig das Gleichgewicht zu halten. Am kleinen Tisch vor dem Mauershop sitzt ein weiterer Schauspiel-Soldat. Mit Kaffee und Handy in der Hand wartet er vermutlich auf die nächste „Wachablösung“. Inzwischen bekommen zwei junge Frauen von seinem Kollegen einen DDR-Stempel in ihre Pässe. You are leaving the American Sector informiert mich das nachgebaute Schild, vor dem sich schon wieder ein Stau gebildet hat. Ich verlasse den touristischen Sektor rund um den Checkpoint Charlie und verlasse dabei auch eine Erinnerungsindustrie hinter mir, die sich in bunt bemalten Mauerstücken und Selfies mit #checkpointcharlie widerspiegelt. Das ist übrig geblieben von der ehemaligen Systemgrenze.

Woher kommt der Mauerstein?

„Mauerklopferin“ Jana Hewlett mitten im Gestaltungsprozess (Privat mit freundlicher Genehmigung von Jana Hewlett)

Der Mauershop am Checkpoint Charlie gehört zu den größten Anbietern künstlerisch überformter Mauersteine. Nach dem Ankauf landen die L-Elemente, die etwa auf Ebay gehandelt werden, im hauseigenen Workshop tief in Pankow. Dort gestalten Berliner Künstler*innen die Elemente vor ihrer Zerlegung neu. Mauershop-Chef L. Meder gibt Einblicke in den Gestaltungsprozess und Künstlerin Jana Hewlett spricht darüber, was diese Neugestaltung historischer Überreste für sie bedeutet von Jan Casper

Mauerstücke können in vielfachen Formen erworben werden © Bavaroi GmbH

„Die künstlerische Arbeit gibt diesen Steinen der deutsch-deutschen Geschichte eine Botschaft auf. Das ist eine freudige und freiheitsliebende Message, die wir durch die künstlerische Bearbeitung herstellen.“

L. Meder

Mauershop-Chef L. Meder im Interview über Mauerteile auf Ebay und Echtheits-Kontrollen im Mauer-Geschäft

Wer hat damit angefangen, Mauersteine zu verkaufen?

Die ersten Mauersteine sind kurz nach dem Mauerfall 1990 verkauft worden, auf den Berliner Flohmärkten. Die Berliner und Berlin-Besucher haben direkt nach dem Mauerfall im November ‘89, als sogenannte Mauerspechte, angefangen, mit Hammer und Meißel Teile aus der Berliner Mauer herauszuschlagen. Diese Teile haben sie dann als Andenken an Berlin beziehungsweise an die deutsch-deutsche Teilung mit nach Hause zu nehmen.

Daraus hat sich dann sehr schnell ein Geschäftsmodell für kleine Händler ergeben, die dann selbst mit Hammer und Meißel beziehungsweise Presslufthämmern kleine Teile der Mauer hinausgestemmt und danach vornehmlich auf Berliner Flohmärkten zum Kauf angeboten haben.

Woher kommen die Mauer-Reste?

Es gibt einen sehr großen Berliner Händler, der Großteile der Berliner Läden damit versorgt. Außerdem gibt es einschlägige Webseiten, wenn man „Berliner Mauerstück“ googelt. Es sind noch mehrere Hundert komplett intakte L-Elemente vorhanden. Das kann ich mit Gewissheit sagen. Das können wir dem Kunden auch in unseren intern gezeigten Videoaufnahmen belegen. Es sind wirklich noch sehr große Sammlungen Berliner Mauer vorhanden.

Mauer-Elemente kann man auch auf Ebay kaufen. Woher weiß man, dass die echt sind?

Die Mauer-Elemente, die wir zukaufen, haben alle eine sogenannte Historie. Man erkennt einem Mauer-Element mit einem gewissen fachlichen Blick an, dass es „Berliner Mauer“ ist. Die haben größtenteils sehr schlüssige Historien, das heißt, es gibt Originalaufnahmen oder Fotoaufnahmen von Elementen und den Orten, wo sie mal standen.

Die letzten Farbreste, die eben immer noch auf der Mauer sind, sind zuweilen immer noch in einer sehr starken Verblassung sichtbar. Die Bemalung, die vor 1990 stattfand, ist von der Berliner Mauer natürlich nach 30 Jahren, in der Regel im Freien lagernd, so gut wie verschwunden. Auf Fotos kann man dennoch Elemente wiedererkennen.

Gibt es objektive Echtheits-Kriterien?

Ja. Da ist zum einen die Beton-Struktur. Die Elemente kommen alle aus den gleichen Betonwerken, und es gibt ja auch die regelmäßig stattfindenden Überprüfungen der Berliner Presse, die sich dieses Themas fast jährlich annimmt. In diesem Zusammenhang werden häufig Proben in die geologischen Institute getragen, wo ganz klar festgestellt werden kann, dass es sich um originale Berliner Mauer handelt.

Was man aber auch sagen muss: Von vielen Straßenhändlern wird einfach irgendeine Betonmischung, die sie selber anrühren, angeboten. Das ist beides auf dem Markt. Definitiv. Es wird echte und falsche Mauer angeboten.

Nach dem Erwerb überarbeiten Künstler*innen die Mauer-Überreste. Warum bleiben die Steine nicht im Original-Zustand?

Ganz wichtig ist uns, dass wir klar kommunizieren, dass wir Berliner Mauer künstlerisch überarbeiten. Dass es also kein Mauerstück mehr gibt, dass leuchtende Farben hat, denn nach 30 Jahren ist die Farbe, wie schon erwähnt, einfach abgewaschen. Der Beton hat eine Pore, die die Farbe nicht besonders lange hält.

Wir sagen, ganz klar: Die künstlerische Arbeit gibt diesen Steinen der deutsch-deutschen Geschichte eine Botschaft auf. Das ist eine freudige und freiheitsliebende Message, die wir durch die künstlerische Bearbeitung herstellen.

Eigendarstellung: So werden aus Mauerteilen Mauersteine

YouTube Video

Hier steht die Mauer heute, wenn auch in Einzelteilen: Mauershop und Mauermuseum am Checkpoint Charlie
(Privat mit freundlicher Genehmigung der Bavaroi GmbH)

Drei Andenken, eine Geschichte

Die Produkte des Mauershops werden von Tourist*innen aus der ganzen Welt in alle möglichen Ecken des Globus getragen. Diese Andenken erzählen die Geschichte der Teilung, der Mauer und der DDR, wenn auch auch oft unerkannt, unbewusst und natürlich nicht im bewussten Sinnzusammenhang. Eine Zusammenschau drei der beliebtesten Andenken:

Nachdem der sowjetische Regierungschef Nikita Chruschtschow 1958 den Abzug der westlichen Siegermächte aus Berlin fordert, entspinnt sich die Zweite Berlin-Krise.

Weiterlesen: Berlin-Krise und Mauerbau

Immer mehr DDR-Bürger*innen wollen dem System entfliehen, während der potenziell atomare Konflikt sich zuspitzt.

In Reaktion auf diese Zuspitzung beschließt die SED-Führung den Bau einer Mauer. Diese Mauer teilt Berlin von 1961 bis 1989. An der Berliner Mauer starben 183 Menschen beim Fluchtversuch oder in Assoziation damit durch DDR-Grenzsoldaten.

Im Mauershop wird die Mauer nun Stück für Stück künstlerisch überformt verkauft.

1963, auf dem Höhepunkt der Berlin-Krise, spricht Präsident Kennedy Berlin, festgehalten auf einer Tasse.

Weiterlesen: Kennedy-Rede
Eine Auszug aus seiner berühmten Rede: „[…] Vor zweitausend Jahren war der stolzeste Satz, den ein Mensch sagen konnte, der: „Ich bin ein Bürger Roms!“ Heute ist der stolzeste Satz, den jemand in der freien Welt sagen kann: „Ich bin ein Berliner!“

Wenn es in der Welt Menschen geben sollte, die nicht wissen, worum es heute in der Auseinandersetzung zwischen der freien Welt und dem Kommunismus geht, dann können wir ihnen nur sagen, sie sollen nach Berlin kommen.
Ein Leben in der Freiheit ist nicht leicht, und die Demokratie ist nicht vollkommen. […]“


Berlin übersteht die Krise. DerVier-Mächte-Status, nach dem Berlin seit Kriegsende durch die vier Siegermächte USA, Frankreich, England und Sowjetunion kontrolliert werden soll und den die Sowjetunion aufkündigen wollte, blieb erhalten.

Weiterlesen: Vier-Mächte-Status und Reisefreiheit in Berlin
1972 wurde dieser Status erstmals rechtskräftig verbindlich festgezurrt: Das Viermächte-Abkommen, das die Botschafter der jeweiligen Mächte 1971 ausgehandelt hatten, trat in Kraft.

In den Verhandlungen waren die Zuordnung West-Berlins zur Bundesrepublik, der Zugang von der BRD nach West-Berlin und der Zugang von West-Berliner*innen nach Ost-Berlin besonders wichtig.



Bilder: © Bavaroi GmbH

„Wir verteilen die Mauer in der Welt, Stück für Stück“

-- Jana Hewlett

Jana Hewlett ist 28, Wahl-Berlinerin und Teil einer Gruppe, die sich „Mauerklopfer“ nennen. Das sind die sieben Künstler*innen, die die Mauersteine im Mauershop neu gestalten. Hewlett ist erst mit zehn Jahren nach Deutschland gekommen, aufgewachsen ist sie in Neuseeland. Mit den Mauersteinen zu arbeiten bedeutet für sie, „im Nachhinein doch noch etwas mit der deutschen Geschichte zu tun haben zu dürfen.“ Die „Mauerklopfer“ verstehen ihre Kunst als Teil einer Mission: Die Mauer Stück für Stück aus Berlin zu schaffen. Im Interview erklärt Jana, was diese Arbeit für sie bedeutet

Was heißt das -- als Nachgeborene, als Außenstehende Mauersteine zu bemalen?

Du bist 28, nicht aus Berlin, du hast keinen eigenen DDR-Bezug. Was ist dein Bezug zu diesen Steinen, die du bearbeitest?Wenn du mit deinem Onkel darüber sprichst, aus der Perspektive, dass er die Mauer vor Augen hatte, wie sieht er das, was du heute als Künstlerin machst?Habt ihr mal konkret darüber geredet, was jetzt mit den Steinen passiert?Du bemalst Mauersteine, du bemalst Überreste aus einer anderen Zeit. Was bedeutet das für dich in deiner Arbeit, wie reflektiert man, was man da tut?Unter euch Künstler*innen haben einige einen DDR-Hintergrund. Gehen die anders an die Sache heran?
Die Steine sind Teil einer Geschichte, die ich selber nicht berühren konnte. Aber mein Onkel kommt aus Moabit, aus der DDR, und hatte die Mauer damals quasi direkt vor der Nase. Er hat mir damals viel erzählt, wie es ihm selbst damals ging und wie er diese Einengung empfunden hat. Ich wohne jetzt ja selbst in Berlin, da hört man viele Geschichten. Ich finde es schön, dass ich jetzt praktisch selbst Teil dieser Geschichte geworden bin, indem ich die Mauer zerstöre und verteile (lacht).
Ich glaube, für ihn war es damals im Allgemeinen eine harte Zeit. Also, er musste viel zurückstecken, Freiheit war ja nicht, außer das man nackt baden durfte überall (lacht). Aber seine Kindheit war im Allgemeinen schwierig, für ihn ist das eine schwarze Zeit.
Das ist für ihn nicht so ganz greifbar. Aber er findet schön, dass die Mauer damit irgendwann komplett weg sein wird und nie wieder zusammengesetzt werden kann (lacht).
Das ist tatsächlich: Dieser Gedanke des Verteilens, die Mauer in der Welt zu verteilen. Die Arbeit an sich gefällt mir allgemein schon sehr gut, weil ich mit Sprühdosen, mit allen möglichen Farben und Formen arbeiten darf. Ich selbst bin Siebdruckerin, das heißt, es macht mir auch Spaß, mit Steinen zu arbeiten, das ist die eigentliche Arbeit. Vor diesem großen geschichtlichen Hintergrund die Mauer mit bunten Farben bemalen und verteilen zu können, das ist einfach schön.
Das glaube ich schon. Der Älteste von uns ist, glaube ich, 33, der hat die Mauer dann ja schon eher mitbekommen. Ich glaube, dass das eine andere Bedeutung hat. Ich selbst war ja nicht eingeschränkt früher, und ich glaube schon, dass, wenn jemand diese Erfahrung hat, in der künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Thema mehr Power steckt.

„Als Frage zum Schluss: Was mich von Anfang fasziniert hat, war dieser Gedanke, ‚Stell dir vor, jemand würde antike römische Ruinen finden, und die dann bemalen und verkaufen und unter die Leute bringen…‘?“

Janas Antwort lesen: 'Das möchte man dann ja nicht; denn...
…in diesem Fall wäre das ja nicht mit diesem Gedanken verbunden, dass man etwas aus der Stadt weg haben möchte. Man will ja diese Mauer nicht mehr sehen. Klar, ein paar Mauerstücke muss man behalten, damit man sich dann vorstellen kann, wie es einmal war, aber es ist ja noch nicht lange her: Die meisten haben die Mauer noch kennengelernt, und mussten darunter leiden. Im alten Rom mussten Menschen vielleicht auch leiden, aber wir berühren das nicht mehr. In diesem Sinn ist die Mauer kein Ort, den man erhalten möchte.“

„Es geht also wirklich darum, die ‚Mauer aus der Stadt zu schaffen‘?“

„Ich glaube: ja.“

Bild: © Bavaroi GmbH

Mauersteine bemalen, Mauersteine verkaufen; wie politisch ist das?

Du hast eben gesagt, es ist schön, dass die Mauersteine in die ganze Welt getragen werden. Was bedeutet das? Würdest du sagen, jeder Stein trägt eine individuelle künstlerische Handschrift?Was glaubst du bedeutet das für jemanden, so einen Stein im Regal stehen zu haben? Als du zum ersten Mal Menschen kennengelernt hast, die diese Steine als Gedenkobjekte betrachten: Hat das deine Arbeit verändert?Unter den Künstler*innen, die selbst einen DDR-Hintergrund haben: Diskussieren deren Familien kontroverser, was ihr aus den Steinen macht?
Dass die Steine auf der ganzen Welt verteilt werden, bedeutet vor allem: Weg! Weg mit den Mauern, kein Mauern mehr, nicht mehr hier und auf der ganzen Welt.
Wir wissen eigentlich immer, wer welchen Stein bearbeitet hat. Hier im Laden kann ich anhand der einzelnen Farbgebungen und Stile, nachvollziehen, was von wem kommt. Wir unterhalten uns auch sehr viel darüber, welche Steine uns am besten gefallen, und welche eher nicht so, weil uns die Steine einfach wahnsinnig am Herzen liegen. Wir stehen total dahinter, wie die Steine aussehen und was wir hier machen. Deshalb ist uns die Transparenz so wichtig: Dass alle wissen, dass WIR die Steine angemalt haben, und dass es sich nicht um Originalfarbe handelt.
Teilweise ist es vielleicht nur ein Souvenir, teilweise habe ich auch Leute kennengelernt, die am Checkpoint oder an der Mauer Familienmitglieder verloren haben. Für sie ist das ein Gedenken an etwas, das nie wieder passieren soll. Für manche ist das sehr emotional: Die waren dann seitdem nicht mehr hier, und da ist jemand gestorben. In diesem Zusammenhang sieht jeder unsere Arbeit anders, die finden das teilweise sehr gut, dass die Mauer weg ist und dass sie verteilt wird, wieder andere sagen: Man sollte die Vergangenheit einfach nur ruhen lassen.
Danach war es mir erst recht wichtig, dass diese Menschen wissen, dass die Farbe von mir ist, dass ich als Nicht-DDRlerin meinen Fingerabdruck auf dem Stein hinterlassen habe. Und dass in der Auseinandersetzung mit diesen Überresten auch die heutige Zeit eine Rolle spielt, was ja auch so ist: Es soll ja nie wieder eine Mauer in Berlin geben, aber am liebsten eben auch auf der ganzen Welt nicht. Heute genauso wie damals.
Ja genau, also da haben wir auch Familienmitglieder, die haben alle durch die Bank weg komplett anders reagiert. Die einen finden es nicht gut, weil man es als Geldmacherei mit einer Sache, wegen der Menschen gestorben sind, wo Menschen leiden mussten, wo Familien getrennt wurden, betrachtet. Das finden die einen nicht gut; die anderen finden es top, und sagen: ‚Hey, weg damit!‘ (lacht)‚ und soll doch die nächste Generation noch was davon haben.

Über die Autor*innen

Karolína Bukovská

Geboren 1994 in Prag, Tschechien. Meine Eltern sind in der sozialistischen Tschechoslowakei aufgewachsen, ich in der post-sozialistischen Tschechischen Republik. Als Tschechin betrachte ich die DDR vor allem als den Teil des Nachbarlandes, der einst als sozialistischer „Bruderstaat“ galt. Die „Ostdeutschen“ sind für mich Menschen, die mit der Generation meiner Eltern und Großeltern eine ähnliche Lebenserfahrung teilen.

Jan Alexander Casper

1995 in Wiesbaden geboren und im Hunsrück aufgewachsen, hat die DDR für mich vor meinem Umzug nach Berlin nie eine Rolle gespielt. Das Thema kam weder in der Schule noch zuhause auf, höchstens mal ganz am Rande. Die Beschäftigung mit dem Thema hat für mich durch den Kontakt zu den neuen Nachbar*innen in Berlin begonnen.

Bildrechte

Landesarchiv Berlin, F Rep. 290, Nr. 0078557 / Fotograf: Siegmann, Horst.

Landesarchiv Berlin, F Rep. 290, Nr. 0078844 / Fotograf: Schütz, Gert.

Landesarchiv Berlin, F Rep. 290, Nr. 0078855 / Fotograf: Schütz, Gert.

Landesarchiv Berlin, F Rep. 290, Nr. 0078857 / Fotograf: Schütz, Gert.

Landesarchiv Berlin, F Rep. 290, Nr. 0084592 / Fotograf: Sass, Bert.

Stiftung Berliner Mauer, Nr. F-015094 / Fotograf: Edmund Kasperski.

Wikimedia Commons, Fotograf: National Archives, Public Domain Mark 1.0, URL: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/d/d0/Checkpoint_Charlie_1961-10-27.jpg (letzter Zugriff am 14.3.2019).

Wikimedia Commons, Fotograf: U.S. Army photo, USAMHI, Public Domain Mark 1.0, URL: http://www.army.mil/article/46993/standoff-in-berlin-october-1961/ (letzter Zugriff am 14.3.2019).

Alessandro Rizzo [@alessandrorizzo1976]. (27.2.2019). #berlino #berlin #deutschland #germany #germania #checkpointcharlie #2012 [Instagram Bild]. URL: https://www.instagram.com/p/BuZp8-dluiL/ (letzter Zugriff am 14.3.2019).

Ankit S [@ankitsaxx]. (1.3.2019). In love with the swag of you #berlin #howitis #howitwas #history #checkpointcharlie [Instagram Bild]. URL: https://www.instagram.com/p/Buef7NtgueZ/ (letzter Zugriff am 14.3.2019).

Cécile Payance [@cecile_payan]. (3.3.2019). #checkpointcharlie #berlin #thewall [Instagram Bild]. URL: https://www.instagram.com/p/BujiumtjS_n/ (letzter Zugriff am 14.3.2019).

Fashion Traveller [@irina_erzhena]. (23.2.2019). What a privilege to be able to travel without borders, crossing countries, waving your red passport. Tragic, that people have such short memories of borders, the challenges, the nightmare of not belonging…..#border #checkpointcharlie #separationanxiety #antibrexit #stayineurope #passionpassport #travelawesome #forbestravelguide #worldplaces #instagramhub #ourplanetdaily #streetdreamsmag #artofvisuals #living_europe #visualambassadors #moodygrams #doyoutravel #exploretocreate #alwaysonthego #myjourney #exploring #visitberlin #ootd #instagood #streetstyle #photoofthedsy #berlin #germany #irinatravels [Instagram Bild]. URL: https://www.instagram.com/p/BuOdJOHg1wQ/ (letzter Zugriff am 14.3.2019).

Keerael [@keerael]. (5.1.2019). I fell in love with that city. ? #Berlin #Germany #trip #checkpointcharlie #frenchgirl #favoriteplace #amazing #iwannagoback #besttripever #dreamdestination #newyear #winter #happiestgirlever [Instagram Bild]. URL: https://www.instagram.com/p/BsP9o9UD6mH/ (letzter Zugriff am 14.3.2019).

kisuleshna_morenita [@kisuleshna_morenita]. (19.1.2019). КПП Чарли, теперь тут можно за ? сфоткаться ))) #checkpointcharlie #berlin #germany #morenita_germany #alemania #viajando #путешествия #германия #берлин #кппчарли [Instagram Bild]. URL: https://www.instagram.com/p/Bs1SeyCl-Z9/ (letzter Zugriff am 14.3.2019).

Nicolas Conort [@nconort]. (21.2.2019). #berlin #coldwar #checkpointcharlie #history #blackandwhite #berlinwall [Instagram Bild]. URL: https://www.instagram.com/p/BuJxBlUlNVA/ (letzter Zugriff am 14.3.2019).

Travelografia [@born_insomniac]. (1.2.2019). My takes from my Germany trip in October 2018 Checkpoint Charlie #checkpointcharlie #checkpointcharlieberlin #berlinwall #berlin #germany?? #nikon #nikond750 #nikonuk #nikonengland #nikonaustralia #photography #photooftheday #natgeoyourshot #natgeo #natgeotravel #travel #traveller #wanderlust #world_photo #photograms #overcast #overcastday #raininberlin [Instagram Bild]. URL: https://www.instagram.com/p/BtUt1cPldfe/ (letzter Zugriff am 14.3.2019).

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Unsichtbare Mauergeschichten http://was-ist-geblieben.de/unsichtbare-mauergeschichten/ Tue, 05 Feb 2019 07:54:10 +0000 http://was-ist-geblieben.de/?p=135 Was von der DDR bleibt? Die Geschichten der Berliner Deutsch-Türk*innen!

Ein Beitrag von Jona Schapira und Tuba Arıkan

Anwohner*innen der Grenzhäuser an der Sebastianstraße, 10. August 1978
Foto: Stiftung Berliner Mauer, Fotograf: Edmund Kasperski

Den Verlauf der Berliner Mauer kann man heute durch eine Doppelpflastersteinreihe, die in die Berliner Straßen gelassen wurde, nachvollziehen. Schaut man vom Straßenboden wieder nach oben, wird im Westteil der Stadt erkennbar, wie nah die Mauer an den Wohnhäusern stand. Im West-Stadtbezirk Kreuzberg wohnten in diesen Häusern oft die Familien und Nachkommen der sogenannten türkischen Gastarbeiter. Sie etablierten ein spezifisches Lebensgefühl, welches die Berliner West-Bezirke nachhaltig prägen sollte.

Die Geschichte der Berliner Mauer und der Berliner Deutsch-Türk*innen ist, so zeigt bereits das Beispiel, eng miteinander verzahnt. In der deutschen Erinnerungskultur spiegelt sich das jedoch nicht wider.

Am 31.Oktober 1961, nur zwei Monate nach dem Mauerbau, schloss die Bundesrepublik das Anwerbeabkommen mit der Türkei ab. Man wollte durch Arbeitsmigration den Verlust der Arbeitskräfte aus Ostdeutschland ausgleichen. Einige der „Gastarbeiter“ gingen nach ihrem Arbeitsaufenthalt zurück in ihre Herkunftsländer, andere blieben in Westdeutschland. Mit dem Mauerfall und der Wiedervereinigung wurde ein Wendepunkt für die Deutsch-Türk*innen eingeleitet – Grenzen der Zugehörigkeit wurden neu definiert. Das entstehende Nationalgefühl der 1990er-Jahre inkludierte Ostdeutsche als „ethnische Deutsche“ und exkludierte Immigrant*innen als das „Andere“. Im kollektiven Gedächtnis der Deutsch-Türk*innen verbreitete sich die Gewissheit, dass sie niemals „dazugehören“ würden. Die Beziehung zwischen der deutschen Mehrheitsgesellschaft und Migrant*innen erlebte eine Zäsur, die ihren erschütternden Höhepunkt in den Pogromen der 1990er-Jahre fand.


Der Dokumentarfilm „Paranthesis“

Mehmet Ercan drehte im Zeitraum von 2009 bis 2011 den Dokumentarfilm „Parenthesis“. Der Film entstand im Zusammenhang mit seiner Masterarbeit „The German-Turkish community in Berlin and the Fall of the Wall“ im Fach Turkologie an der Freien Universität Berlin. In seiner Dokumentation zeigt Mehmet Ercan die Mauergeschichten von 13 Zeitzeug*innen. Die erzählten Geschichten sind so verschieden, wie die Zeitzeug*innen selbst. Was sie alle eint, sind ihre deutsch-türkischen Biografien.

Exemplarisch werden hier die Geschichten von Kadriye Taşcı, Hasan Toğrulca, Emine Koçyiğit und Bekir Kılıç gezeigt. Die Filmausschnitte sollen dazu beitragen, die Mauergeschichten der Berliner Deutsch-Türk*innen innerhalb der deutschen Erinnerungskultur sichtbar zu machen. Was von der DDR bleibt? Die Geschichte der Berliner Deutsch-Türk*innen!

Vier unsichtbare Mauergeschichten -- Filmausschnitte

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„Ich war Mitglied der kommunistischen Partei in der Türkei. […] Es ist nicht nur der Fall einer Mauer, sondern eines ganzen Regimes. Viele Fragen befanden sich in der Schwebe. Was wird mit uns passieren, mit der Partei, mit dem sozialistischen Regime?“ Kadriye Taşcı

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„Die Berliner Mauer habe ich 1979 kennengelernt. […] Ich landete am Flughafen Schönefeld (Ostberlin). Ich wartete stundenlang. […] Nach zwei Stunden haben sie mich in einen Bus gesteckt. Als wir an der Grenze ankamen, dachte ich, sie bringen mich ins Gefängnis. […]“ Hasan Toğrulca

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„Wir wohnten an der Köpenicker Straße in Kreuzberg. […] Meine Eltern warnten uns vor dem Kanal. Sie sagten, wenn wir reinfallen sollten, könne uns niemand retten. […] Tatsächlich patrouillierten Grenzboote im Wasser mit Grenzsoldaten, die schossen, sodass keiner helfen konnte.“ Emine Koçyiğit

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„»Warum darf Peter in der ersten Mannschaft spielen und ich nicht«, fragte ich. Weißt du, was der Mann antwortete? Er sagte: »Du bist Türke, er ist Deutscher. Eines Tages wirst du vielleicht gehen. Er ist hingegen Deutscher. Er gehört zu uns. Er wird hier bleiben.«“ Bekir Kılıç


Interview mit dem Filmemacher Mehmet Ercan

Bitte stell dich kurz vor!

Ercan: Mein Name ist Mehmet Ercan. Ich beschäftige mich mit Film und Anthropologie und bin immer noch Doktorand an der Freien Universität Berlin.

Erzähl uns von deinem deutschen Abenteuer! [Diese Frage stellte Mehmet Ercan bei seinen Dreharbeiten zu „Paranthesis“ immer als Eingangsfrage.]

Ercan: Ich bin seit ungefähr 14 Jahren in Deutschland. Ich war am Anfang nur für einen einjährigen Sprachkurs gekommen und genau wie die im Ausländerbüro erteilten Jahresgenehmigungen, wurde mein Abenteuer auch Jahr für Jahr fortgesetzt.

Wieso war das Thema deines Films für dich wichtig?

Ercan: Um ehrlich zu sein erinnere ich mich nicht wirklich, warum ich mich für das Thema entschieden habe. Wie du sagst, es sind schon 10 Jahre her. Wir sind ja in 2019. Also es war ja im Jahr 2009, 20. Jahrestag der Fall der Berliner Mauer. Damals musste ich wohl ein Thema für die Master-Thesis finden, hatte aber kein Budget für ein anderes Filmprojekt. Deshalb habe ich das gewählt, nehme ich an.

Welche Bedeutung hatte es für dich als Türke in Deutschland, Deutsch-Türk*innen zu interviewen?

Ercan: Das Befragen von Türk*innen in Deutschland für einen Film ist nicht sehr unterschiedlich im Vergleich zu meinem alltäglichen Leben. Normalerweise führe ich immer ähnliche Befragungen von Menschen um mich herum durch, einfach aus Neugierde heraus. Fast alle Protagonisten in dem Film waren ja schon Bekannte oder Freunde von mir. Es war aber deswegen interessant, weil es sich diesmal um ein konkretes und einheitliches Thema handelte. 

Welche Mauergeschichten waren für dich am einprägsamsten?

Ercan: Ich fand ja alle Mauergeschichten, die im Film zu sehen sind, sehr einprägsam. Deswegen habe ich mir es erlaubt, dass sie beim Endschnitt alle noch zu sehen sind. Zuschauer*innen sollten wissen, dass der endgültige Film stark geschnitten und editiert wurde, fast wie ein „Fiction-Film“. Nur weil das Genre „Dokumentarfilm“ heißt, bedeutet es nicht, dass keine „Redaktion“ dahinter steht. Gleichzeitig muss ich zugeben, dass die einprägsamsten Geschichten „off-the-record“ erzählt wurden und deswegen entweder rausgelassen werden mussten oder nicht einmal aufgenommen werden konnten.

Es sind 10 Jahre vergangen seitdem du den Film gedreht hast. Was hat sich seitdem deiner Meinung nach geändert?

Ercan: Es gibt immer noch keine Recherche, Filme und Bücher darüber, was ich damals „zufälligerweise“ zum Teil recherchiert habe. Ich wollte ja, wie gesagt, bloß mein Magisterstudium endlich zu Ende bringen und bin deswegen auf das Thema gestoßen. Und zehn Jahre später befindet sich dieses Mal Tuba in einer ähnlichen Situation und so geht der Staffellauf irgendwie weiter. Sonst sehe ich aber kein ernsthaftes Interesse, weder auf der Seite der Türkei / Deutschlands, noch auf der Seite der türkischen Community, dieses Kapitel der Geschichte weiter zu recherchieren und zu dokumentieren. Es sind immer ein paar „amateure“ Individuen.

Was bleibt für dich von der DDR?

Ercan: Auf der einer Seite nur die Geschichten, die ich von meinen Protagonisten und anderen Leute gehört habe und auf der anderen Seite die krassen Unterschiede zwischen alten und neuen Bundesländern, die man merkt, wenn man irgendeine „Infografik-Map“ zur Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Gender usw. sieht.

Der Filmemacher Mehmet Ercan, Foto: Privatbesitz Mehmet Ercan

Grenzen der Zugehörigkeit -- Essay

Feuerwerk, Jubel, Deutschlandfahnen, Menschen reichen sich die Hände. Eine erste Online-Bildrecherche fasst das Narrativ der deutschen Erinnerungskultur zur Wiedervereinigung zusammen: Die Geschichte eines Erfolges. Schaue ich mir die deutschen Erfolgsbilder genauer an, dann suche ich vergeblich die Geschichten meiner jüdischen und (post-)migrantischen Freund*innen und ihrer Familien. Ich suche die Geschichten der Minderheiten in den 1990er-Jahren in Deutschland – und finde sie nicht. Nicht in den Ausstellungen, die ich besuche. Kaum in den Büchern, die ich lese.

Während die Berliner Mauer 1989 fiel, blieb eine andere erhalten – sie heißt Rassismus und bekam nun einen neuen Anstrich. Das entstehende Nationalgefühl der 1990er-Jahre schuf neue Grenzen der Zugehörigkeit und leitete damit einen Wendepunkt für all diejenigen ein, die nicht zu „ethnischen Deutschen“ gezählt wurden. Während ehemalige Ost- und Westdeutsche zum „Wir“ im entstehenden „Volk“ gehörten, wurden all diejenigen, die als Migrant*innen gelesen wurden, erneut zum „Anderen“.

Ich finde in den Erfolgsbildern der Wiedervereinigung nicht die Geschichten der Minderheiten wieder. Aber ich finde etwas anderes: Es sind die Mauern der Erinnerungs- und Geschichtskultur. Die Bevölkerung und die Lebensstile in West- und Ostdeutschland erfuhren durch die Anwerbeabkommen beider deutschen Staaten eine Diversifizierung. Die größte Gruppe der „Gastarbeiter“ in West-Deutschland machten Türk*innen aus. In West-Berlin wurden diese häufig in Wohngegenden direkt an der Mauer angesiedelt. Es ist also davon auszugehen, dass viele Deutsch-Türk*innen konkrete Erinnerungen an das Leben mit der Berliner Mauer und den Mauerfall haben müssen. Dennoch sind ihre Geschichten kaum präsent. Sie sind kein Teil der deutschen Erinnerungskultur. Wie ist das in Hinblick auf die Größe der deutsch-türkischen Community möglich? Was sagt es über die deutsche Erinnerungskultur aus, wenn die Geschichten der Minderheiten nicht erzählt werden?

Es bleibt eine Vermutung: Die deutsche Gesellschaft und damit auch ihre Erinnerungs- und Geschichtskultur ist rassistisch. Die Frage, welche Geschichte und Geschichten erforscht, erinnert und erzählt werden und welche nicht, findet eine Antwort auch in den gegenwärtigen Herrschaftsverhältnissen. Ich möchte nicht nur die Bilder der Weißen mehrheitsdeutschen erfolgreichen Wiedervereinigungsgeschichte finden. Im Gegenteil: Ich will sehen und Teil davon sein, wie die Mauern der Erinnerungs- und Geschichtskultur mit Mut, Kraft und Wut und mit antirassistischen Hämmern eingerissen werden. Und dann mit all meinen jüdischen und (post-)migrantischen Freund*innen und ihren Familien auf den Trümmern tanzen.


Grenzhäuser und -mauer an der Sebastianstraße , 10. August 1978
Foto: Stiftung Berliner Mauer, Fotograf: Edmund Kasperski


Materialliste

Fachliteratur

  • Cil, Nevim: Topographie des Außenseiters. Türkische Generationen und der deutsch-deutsche Wiedervereinigungsprozess, Berlin 2007.
  • Ercan, Mehmet: „The German-Turkish community in Berlin and the Fall of the Wall“, Berlin 2011 [unveröffentlichte Masterarbeit].
  • Huneke, Dorte: Von der Fremde zur Heimat. 50 Jahre deutsch-türkische Anwerbeabkommen, in: Bundeszentrale für politische Bildung (Hg.): 1961: Anwerbeabkommen mit der Türkei, 24.10.2011. http://www.bpb.de/geschichte/deutsche-geschichte/anwerbeabkommen/43161/von-der-fremde-zur-heimat, letzter Zugriff 13.03.19.
  • Mandel, Ruth: Cosmopolitan Anxieties. Turkish Challenges to Citizenship and Belonging in Germany, Duke University Press 2008.
  • Tügel, Nelli: Das Land ihrer Träume? Türkeistämmige politische Emigrant_innen in der DDR, Berlin 2014.

Zeitungsartikel

  • Woltersdorf, Adrienne: „Die Mauer fiel uns auf den Kopf“, Interview mit Nevim Cil, in: TAZ, Berlin 2004. http://www.taz.de/!677266/, letzter Zugriff 25.03.19.

Filme

  • Candan, Can: Duvarlar-Mauern-Walls, 2000.
  • Ercan, Mehmet: „Paranthesis“, Berlin 2011.
  • König, Jana/ Steffen, Elisabeth/ Turczyn, Inga: Mauern 2.0. Migrantische und anti-rassistische Perspektiven auf den Mauerfall, Berlin 2013.
  • RBB: 1975. Türken in Kreuzberg, in: Die Berliner Mauer. Geschichte in Bildern, 2014. https://www.berlin-mauer.de/videos/gastarbeiter-aus-der-tuerkei-in-kreuzberg-640/, letzter Zugriff 25.03.19.
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Zwischen Mauer und Trabi – Gedanken von Nachwendekindern zur DDR http://was-ist-geblieben.de/zwischen-mauer-und-trabi/ Mon, 04 Feb 2019 11:59:35 +0000 http://was-ist-geblieben.de/?p=84 Ein Beitrag von Julia Baumann und Josephine Kuban

Die DDR als Zeit, die wir nie erlebt haben und uns trotzdem prägte?

An einem frühen Herbsttag sollten wir im Rahmen eines Seminars in kurzen Texten beschreiben, was für uns Nachwendekinder von der DDR geblieben ist. Da allerdings solch eine Frage uns Studierenden in unserem bisherigen Leben noch nie gestellt worden ist, waren die meisten von uns etwas verunsichert: „Wie sollten wir diese Frage beantworten können, wenn wir die DDR nicht einmal selbst miterlebt haben?“ Trotz dieser Zweifel gaben sich alle Beteiligten viel Mühe bei ihren Antworten und waren auch letztendlich überrascht, was für persönliche und sehr spannende Geschichten entstanden sind. Hat etwa die ehemalige DDR auf unser heutiges Alltagsleben doch mehr Einfluss, als wir gedacht haben?

Aus dieser Situation heraus ist unsere Projektidee entsprungen. Wir unterhielten uns über unsere Familien und wie diese ihre ganz eigenen Erfahrungen in Ost- und Westberlin gemacht haben, obwohl sie in der gleichen Stadt leben. Nach diesem Gespräch vertraten wir zudem die Ansicht, dass unsere Eltern und Großeltern – trotz der Wiedervereinigung von Deutschland vor unserer Geburt – uns stark zu „Wessis“ und „Ossis“ erzogen haben. Denn unsere Vorstellungen zur früheren DDR sind eng mit den Erinnerungen, Vorurteilen und Gedanken unserer Familien verbunden. Hierdurch stellten wir uns dann folgende Frage: „Was verbinden wir Nachwendekinder auf Anhieb mit der DDR?“

Da wir viele Personen zu dieser Angelegenheit befragen wollten und es zu aufwendig erschien, von jeder einzelnen Person einen Text zur DDR zu verlangen, haben wir eine Umfrage gemacht. Unsere gleichaltrigen Freund*innen und Kommiliton*innen mussten hierbei drei Begriffe angeben, die sie heute mit der DDR verbinden. Aus den Antworten haben wir dann Wortwolken erarbeitet, in denen wir die Zusammenhänge der Begriffe untereinander untersucht haben. Da wir keine ausgebildeten Soziologinnen sind und uns das Forschungsfeld der Generationenforschung noch sehr neu ist, können wir natürlich keinen wissenschaftlichen Stand über die Nachwendekinder erbringen. Wir möchten stattdessen unsere Erfahrungen, Fragen und Eindrücke schildern, die wir während des Projektes mit den Befragten gesammelt haben. Außerdem haben wir versucht, aus unserer Perspektive zu erklären, weshalb manche Wörter wie Mauer, Stasi und Trabi von unserer Generation häufig mit der DDR verknüpft werden. Aber beginnen wir doch erstmal bei den Anfängen unseres Projektes.


INHALT

Die ersten Reaktionen der Nachwendekinder Seite 2
Unsere Generation als Forschungsobjekt – geht das überhaupt? Seite 3
Das Gebliebene – ein Interpretationsversuch Seite 4
Ein Blick auf die DDR in unseren Gedanken Seite 5
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